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Wiener Zeitgeist – Aufbruch in die 80er

Wiener Zeitgeist – Aufbruch in die 80er
FS2
So, 13.04.2025 | 23:07 - 23:52

Zeitgeschichte (A 2018)

Wien, Mitte der 1970er Jahre: Eine Stadt in depressiven Grautönen. Die einstmals fünftgrößte Metropole der Welt, geschrumpft auf 1,5 Millionen Einwohner:innen, scheint sich auf direktem Weg in die Bedeutungslosigkeit zu verabschieden. Und dann, am Ende des Jahrzehnts, kommt etwas auf, das mit einer pulsierenden, kunstaffinen Szene und dem Begriff "Zeitgeist" zu tun hat. Mit einem Mal gehen in bunten Neonfarben die Lichter in einer Unzahl gestylter In-Lokale auf. Wien wird modisch, eine so genannte Szene entsteht, hedonistisch und konsumorientiert. Mode bekommt eine ebenso politische wie internationale Note, mit Falco oder Hansi Lang boomt eine neue Musikszene, Kunst und Werbung gehen eine Symbiose ein. Divine, die prallste aller Drag Queens, tritt auf und auch die noch völlig unbekannte Sade Adu – später wollen alle bei ihrem Konzert im Keller des neuen Szenetempels U4 dabei gewesen sein. Dort steht Conny de Beauclair vor der Tür, hinter dem Tresen führt Marianne Kohn ( heute leitet sie die Wiener "Loos Bar") ein strenges Regiment. Musikalisch geht in jenen Jahren alles schnell: Minisex fahren mit dem Auto, Blümchen Blau adaptierten einen Klassiker von Hans Albers, Falco spielt Bass und probiert so lange neue Frisuren aus, bis die Brillantin' brutal glänzt und ihm ganz Wien zu Füßen liegt. Was war Anfang der 1980er geschehen, dass sich die Stadt aus ihrer eigenen Provinzialität hievte und in der City die lodenbemäntelten Regimenter von jungen Partypeople verdrängt wurden? War es so etwas Profanes wie der U-Bahn-Bau, der wie ein Turbo wirkte? Bestimmt hat auch die vor mehr als 40 Jahren gegründete Zeitschrift "Wiener" – das neue Zentralorgan des Zeitgeists – am neuen Selbstwertgefühl mitgewirkt. Abgekupfert von Andy Warhols Magazin "Interview" wurden die ersten Nummern im X-Large-Format verlegt. Nach vier Ausgaben ging das Projekt pleite und wurde alsbald als "Zeitschrift für Zeitgeist" neu gegründet. Regisseurin Alexandra Venier hat für ihren Film tief in den ORF- Archiven gegraben und eine prominente Riege zeitgeistiger Zeitgenossen interviewt. Zu Wort kommen unter anderen Starfotografin Elfie Semotan, Architekt Wolf D. Prix, die Gastronomen Marianne Kohn, Hanno Pöschl und Ossi Schellmann, die Musiker Rudi Nemeczek, Alexander Goebel und Götz Schrage, sowie der ehemalige "Wiener"- Chefredakteur Markus Peichl. Entstanden ist ein filmisches Brevier durch die Mode-, Party- und Musikszene jener Jahre, als sich Wien als Metropole neu erfand.