Precht

Tagesgeschehen (D 2025)
Moderne Technologien versprechen uns ein längeres Leben ohne Leid. Doch ergibt ein Leben ohne Leid noch Sinn? Darüber diskutiert Richard David Precht mit dem Philosophen David Pearce. Die Visionen des Transhumanismus gehen weit über ein langes Leben hinaus: Eine neue Stufe der Evolution jenseits allen Menschlichen. Dafür sollen alle Technologien eingesetzt werden. Doch erstrebenswert erscheint ist ein langes Leben ohne jegliche Leiderfahrung nicht. Wie alle Transhumanisten ist Pearce davon überzeugt, dass wir unsere biologischen Grenzen irgendwann überwinden werden. Sein zentrales Werk "Der Hedonistische Imperativ" argumentiert für eine Welt ohne Schmerz, in der genetische Umprogrammierung und Neurochemie genutzt werden, um dauerhafte Glückszustände zu erreichen. Doch ist der Mensch tatsächlich als eine Kombination aus Hard- und Software zu verstehen, die durch ein Update auf Mensch 2.0 verbessert werden kann – oder überhaupt sollte? Gehört das Wechselspiel zwischen Leid und Glück, Schmerz und Wohlbefinden, Begrenztheit und Freiheit nicht untrennbar zur menschlichen Natur? Könnte der Mensch ein Leben in unendlichem Glück überhaupt ertragen? Oder würde er seinen menschlichen Kompass verlieren, den innere Antrieb, sein Leben aktiv zu gestalten? Egal ob man ein Lottogewinner ist oder durch einen Unfall im Rollstuhl landete – nach einem Jahr hat sich laut einer Studie bei den meisten Menschen alles wieder auf den gleichen Glückslevel eingependelt, erklärt Pearce. Ziel sei es daher, eben diesen grundsätzlichen Glückslevel durch Pharmaka und genetische Manipulation zu erhöhen. Besteht die Qualität des Glücks aber nicht gerade darin, dass es kein Alltagszustand ist und es auch das Leid geben muss? Brauchen wir, fragt Precht, nicht den Tiefgang des Leidens, um den Tiefgang des Glücks auszukosten? Das Gefühl der Monotonie sei doch eher mit Depressionen verbunden als mit glücklichen Momenten, entgegnet Pearce. Es gehe eben nicht um Gleichförmigkeit, sondern um ein grundsätzliches Anheben des menschlichen Wohlgefühls. Möglicherweise, so Pearce, sei tatsächlich das Empfinden von Glück der Sinn des Lebens. Je intensiver die Erfahrung des Wohlbefindens ist, desto signifikanter fühle sich das Erlebte doch an. Biografie David Pearce: David Pearce wurde 1959 in England geboren. Er ist Philosoph und führender Transhumanist. Er studierte am Brasenose College in Oxford und entwickelte sich dort zu einem Vertreter des negativen Utilitarismus, der Leidvermeidung als die größte moralische Verpflichtung des Menschen ansieht. 1995 veröffentlichte er sein einflussreiches Internet-Manifest "The Hedonistic Imperative", in dem er die technologische Abschaffung allen Leidens durch Biotechnologie und Neuropharmakologie fordert. Dieses Werk begründete sein Konzept des "Paradise Engineering" – der Vision dauerhaften technologisch erzeugten Wohlbefindens. 1998 gründete er zusammen mit Nick Bostrom die World Transhumanist Association (heute Humanity+), die den Transhumanismus als akademische Disziplin etablierte. Als überzeugter Veganer erweitert Pearce seine ethischen Überlegungen auf alle empfindungsfähigen Lebewesen. Pearce gilt trotz kontroverser Diskussionen als prägender Denker des modernen Transhumanismus, der die Debatte über die technologische Überwindung menschlichen Leidens maßgeblich vorangetrieben hat.