Krise bei VW – Alarmsignal für Deutschland?
Wirtschaft (D 2024)
Luigi Catapano macht sich wie Zehntausende VW-Mitarbeitende Sorgen. Seit dem 2. September 2024 hat sich auch sein Alltag verändert. Statt jeden Tag zur Arbeit zu gehen, macht der 50-Jährige seinem Unmut nun auch vor dem Werkstor Luft – gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen von der IG Metall. Luigi ist VWler durch und durch. Sein Großvater kam als Gastarbeiter aus Italien nach Wolfsburg. Auch sein Sohn arbeitet bei Volkswagen. Das Haus hat er noch nicht abbezahlt, jetzt hat er Zukunftsängste. So geht es auch Marvin aus Emden. Er baut für VW den ID4 zusammen – Volkswagens Elektromodell für die Mittelklasse. Doch der Absatz stockt. Die Fabrik in Emden ist nur gut zur Hälfte ausgelastet. Das drückt auf die Produktivität. Auch deshalb will VW jetzt sparen, stellt Personal und Standorte zur Disposition. Während Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) beim Werksbesuch Hoffnung macht, wächst bei VWlern wir Marvin und Luigi die Sorge. Wie konnte der Traditionskonzern so tief in die Krise rutschen? Der Druck aus China nimmt zu. Über Jahrzehnte war Volkswagen dort mit seinen lokalen Partnern Marktführer. Aber seit Chinas Regierung voll auf Elektroantrieb setzt und Zulassungen für Verbrenner nur noch verlost werden, verlieren die deutschen Hersteller Marktanteile. ARD-China-Korrespondent Jörg Endriss zeigt für die Doku, wie rasant sich der Markt in China verändert und welche Pläne die chinesischen Autobauer für Europa haben. Noch verkauft China nur wenige Modelle auf dem deutschen Markt. Aber das wird sich bald ändern. Davon ist Birgit Priemer überzeugt. Sie ist Chefredakteurin von "Auto Motor und Sport", Deutschlands größter Auto-Zeitschrift. Auch wenn sich bisher kein chinesischer Hersteller fest auf dem deutschen Markt etablieren konnte, ist Priemer überzeugt: Die chinesischen Modelle werden auch den deutschen Markt erobern. Die Automobilindustrie weltweit steckt in der größten Transformation ihrer Geschichte. Dem Elektromotor gehört die Zukunft, davon sind derzeit alle großen Hersteller überzeugt. Die Frage ist nur, wie lange diese Übergangsphase dauern wird. Das Auto wird digital und vernetzt. Das Herzstück eines Pkw wird in Zukunft nicht mehr der Motor, sondern werden die Software und die Batterie sein. Gerade hier haben viele deutsche Hersteller Schwächen. Gleichzeitig tun sich die Deutschen besonders schwer mit der Elektromobilität. Die Anschaffungskosten sind hoch, die staatliche Förderung ist unsicher und: Die Deutschen hängen an ihrem Verbrenner. Genau in dieser Zeit des Umbruchs steht bei VW eine neue Tarifrunde an. Sieben Prozent mehr Lohn und Gehalt fordert Daniela Cavallo, die mächtige Betriebsratsvorsitzende im VW-Konzern. Nach Ansicht von Konzernchef Oliver Blume würde ein solch hoher Lohnabschluss die Krise bei VW noch deutlich verschärfen. Ein Machtkampf zwischen zwei VW-Urgesteinen zeichnet sich ab. Die Vorzeichen für die Verhandlungen für einen neuen Haustarifvertrag bei VW, der immer auch Wegweiser für die gesamte Branche war, sind düster. Dem Konzern, seinen Mitarbeitenden in den Werken bundesweit und dem Wirtschaftsstandort Deutschland steht ein heißer Herbst bevor. Die Autoren des Films sprechen mit den Akteurinnen und Akteuren in dieser Krise und mit Beobachtern des Marktes. Sie lassen die Betroffenen zu Wort kommen: Arbeiterfamilien aus Wolfsburg, Gewerkschafter aus Emden und Zwickau. Die Dokumentation ist eine Reise durch das Autoland Deutschland und macht deutlich, welche wirtschaftlichen Herausforderungen vor uns liegen, nicht nur in diesem Herbst, sondern in den kommenden Monaten und Jahren.