Keimen auf der Spur – Wie eng Mensch, Tier und Umwelt verbunden sind
Wissenschaft (D 2024)
Klimaerwärmung, Monokulturen und dichte Lebensräume schaffen ideale Bedingungen für Krankheitserreger. Sie bedrohen die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen. Welche Rolle Tigermücken, sexbesessene Bakterien oder versalzte Gewässer bei der Ausbreitung von Pathogenen spielen, wird in den Laboren der "One Health"-Forschung untersucht. Dort werden Ökosysteme, Tiergesundheit und Humanmedizin gemeinsam betrachtet. Längst ist die Tigermücke ein lästiger Mitbewohner in vielen Kleingärten. "Diese Mücke ist reisefreudig, braucht es warm und liebt kleine Pfützen", erklärt die Zoologin Karin Bakran-Lebl von der AGES – der österreichischen Gesundheitsbehörde. Dort wird die Entwicklung und Verbreitung der invasiven Mücke genau beobachtet und dokumentiert. Interessierte Laien, sogenannte Citizen Scientists, helfen dabei mit. Sichtungen können per App erfasst werden. Anders als heimische Stechmücken kann die Tigermücke Zika-Viren oder Tropenkrankheiten wie Denguefieber übertragen. "Die Frage ist nicht ob, sondern wann Tropenkrankheiten auch in Europa zum Problem werden", warnt der Insektenexperte Andreas Vilcinskas. Er hat in Gießen das Fraunhofer-Institut für Insektenbiotechnologie aufgebaut. Dort werden biotechnologischen Bekämpfungsmethoden erforscht. "Mit Pestiziden vernichten wir ganze Ökosysteme, das schädigt nicht nur die Umwelt, sondern letztlich die Menschen", betont Vilcinskas. Im Fokus steht neben der Tigermücke auch die Schilf-Glasflügelzikade. Sie überträgt Bakterien auf Zuckerrüben und Kartoffeln und sorgt für massive Ernteausfälle. Auch in den Niederlanden ist man den Keimen auf der Spur. "Zugvögel können Viren nach Europa bringen, wo sie von Stechmücken auf Menschen übertragen werden", hält die Virologin Reina Sikkema fest. Mit ihrem Team erfasst sie Reiserouten und die Gesundheit von Vögeln. Bei einem Feldversuch mit Stechmücken haben die Forscher herausgefunden, dass diese mit Klimaveränderungen besser zurechtkommen als ihre Fressfeinde. Die Nutztiere im Blick behält man in Tirol. Im Sommer gehen die Kühe aus verschiedenen Betrieben gemeinsam auf die Almen. "Das ist ein wunderbarer Pool, um sich gegenseitig mit diversen Erregern anzustecken", erzählt der Veterinärmediziner Lorenz Khol. Beispielsweise mit einem Subtypen des Staphylococcus aureus. Das Bakterium verursacht bei Kühen Euterentzündungen. Gelangt es in die Milch, kann es, wenn daraus Rohmilchkäse hergestellt wird, bei Menschen zu Durchfallerkrankungen führen. Neben der Ausbreitung von Keimen zählen Antibiotikaresistenzen zu den großen Herausforderungen in der "One Health"-Forschung. Nicht nur Medikamentenmissbrauch, sondern auch Umweltbedingungen haben Einfluss auf die Verbreitung. "Wenn Bakterienstämme bei Kläranlagen aufeinandertreffen, kommt es zum 'Bakteriensex', und Resistenzen werden zwischen Bakterien ausgetauscht", erklärt Julia Vierheilig, Mikrobiologin an der Technischen Universität in Wien. Ihr Kollege Norbert Kreuzinger erforscht an der Abteilung für Wassergütewirtschaft Methoden, Spurenschadstoffe im Abwasser unschädlich zu machen. Positiver Nebeneffekt seiner Versuche mit einer "Minikläranlage" im Labor mit Ozon und engmaschigen Sieben: Auch Bakterien werden entfernt. Die Dokumentation "Keimen auf der Spur – Wie eng Mensch, Tier und Umwelt verbunden sind" gibt Einblick in die Labore und Arbeitsfelder interdisziplinärer Gesundheitsforschung. Grafiken und eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen machen den Film zu einer abwechslungsreichen Reise durch die Welt der Forschung.